Die Suche nach Glück und Geborgenheit ist dem Menschen angeboren. Nicht umsonst ist die Arbeit an sich selbst so wichtig. Dass so ein Anliegen auch gesellschaftspolitisch relevant ist, versteht sich von selbst. Der Mensch braucht ein soziales Umfeld um sein Streben nach Glueck zu verwirklichen. Schon in der Antike sprach man vom goldenen Zeitalter im Gegensatz zur harten Realitaet des taeglichen Lebens. Es wurden Versuche gemacht, ideale Gesellschaftsformen zu entwerfen und manchmal auch zu realisieren. Die berühmtesten und die einflussreisten dieser Utopien, sind diejenigen von Platon und von Marx. Platon hat seine Vorstellungen von einem idealen Staat, in seinem Werk Politea, entwickelt, und auch einen Lösungsweg vorgeschlagen. Auf den Punkt gebracht lautet dieser so. Wenn die Philosophen regieren oder die Könige philosophieren, dann koennte der ideale Staat aufgebaut werden. Er machte auch konkrete Versuche, die scheiterten aber. Der Marxismus setzte auf das entrechtete Proletariat bzw. aus ihm entstandene Arbeiterklasse und radikale Intelektuellen, die durch ihre politischen Parteien diese Zielsetzungen verwircklichen sollten. Die Anziehungs- und Ueberzeugungskraft des Marxismus lag in der wissenschaftlichen Methode und Terminologie, sowie felsenfesten Ueberzeugung religioeser Art seiner Anhaenger, die fest daran glaubten, Entwicklungsgesetze der menschlichen Gesellschaft und damit ihren Gang erkannt zu haben. Sie waren überzeugt davon, dass es möglich ist diesen Prozess zu managen und damit eine vollkommene Gesellschaft aufzubauen. Der Preis fuer die Verwirklichung dieses Traumes war ihnen irrelevant. Und der war unermesslich hoch. Das Aufwachen, nach dem Scheitern der Utopie, war schmerzlich. Wir sind Zeitzeugen davon. Auch in diesem Fall wurde klar, dass es eine Sache ist ein Konzept zu entwickeln und eine ganz andere in realer geschichtliche Situation die Idee zu verwirklichen. Trotz aller negativen Erfahrungen werden immer wieder neue Utopien angeboten. Einen Markt dafuer wird es immer geben. Einiges deutet hin, dass es wieder soweit ist und dass gewisse Kräfte daran basteln. Dass sich hoch gesteckte Ziele, die ausserdem der menschlichen Natur zu wiedersprechen scheinen, im allgemeinen nicht realisieren lassen, hat die Kirche sehr frueh erkannt. Deswegen sollten, diejenigen, die streng nach christlichen Prinzipein leben wolten, dies in gewissem Sinne ausserhalb der Gesellschaft, in Kloestern, versuchen.
Eine der wesentlichen Konstanten jeder realen Gesellschaftsform, notabene durch Jahrhunderte und überall, ist die Korruption, wie die folgenden Ausfuehrungen zeigen sollen. Sie wird immer als schädlich und ungerecht empfunden. Wenn sie ausufert, kann sie die ganze Gesellschaft ruinieren. Ihre Bekämpfung zeigt sich besonders schwierig, wenn sie schon ein integrierter Bestandteil des Staates geworden ist, was oft durch Widrigkeiten der Geschichte der Fall ist. Z.B. in Russland. Nach dem Zerfall der Sowjetunion konnte der russische Staat nicht einmal seine elementaren Aufgaben erfüllen. Von totalem Kolaps wurde Russland im Wesentlichen von den sogennten Oligarchen gerettet. Es sind diese Leute und nicht der Staat, d.h. wedre Jelzin noch Putin, die die Wirttschaft am Leben erhielten und wieder in Gang setzten.Was dabei geschah erklaert, mindestens teilweise, die grosse Korruption und ihre Zaeigkeit im heutigen Russland. Auf die Frage eines Journalisten in einem Interview was wird gegen die Korruption unternommen, anwortete Präsident Medwedew, dass man eine zentrale Stelle mit grosser Machtfuehle zur Bekaempfung der Korruption gruenden werde. Auf die Bemerkung des Journalisten, dass dort das künftige Zentrum der Korruption sein könnte, antwortete der Praesident mit den Worten;"Das koennen wir leider nicht ausschliessen." Wenn man die jetzigen aufstrebenden Staaten betrachtet, z.B. die Schwellenlaender, dann zeigen sie alle grosse Fortschritte in der Wirtschaft und auch in der Politik. Und dies trotz der grossen Korruption. In China lebt man sicherlich besser und freier als unter Mao. Und allgemeine chinesische Entwicklung ist, trotz allen negativen Begleiterscheinungen, atemberaubend. Dass dieses, vor 100 Jahren kaum als Staat zu bezeichnende Gebilde, heute eine Grossmacht ist, mit Abstand groesste Devisenreserven hat, einen sehr schnellen Wachhstum aufweist und nach den Sternen greift, spricht fuer sich. Fuer die nachhaltige Entwicklung Chinas hat Shanghai grosse Rolle gespielt. In Maos Zeiten war diese Stadt, wegen des starken kapitalistisch-bürgerlichen Einschlages, als problematisch angesehen und dem entsprechend behandelt. Ein amerikanischer Missionar aus der Zwischenkriegszeit hat verzweifelnd bemerkt, dass er nicht verstehen kann, dass Gott Sodom vernichtet hat und genauso korrupte Stadt Shanghai unbehelligt laesst. Und eben diese korrupte Stadt war und ist der Motor der chinesischen, in vieler Hinsicht einmaligen Entwicklung.
Interessanterweise ist auch unsere offene, demokratische, und man würde meine transparente Gesellschaft, gegen die Korruption, und zwar im grossen Stil, nicht imun. Man spricht von Abzockern, Steuerkriminalität, Casinokapitalismus usw. Diesen Übeln ist der Kampf angesagt von Personen wie Frau Lagarde, der jetzigen IMF Chefin und frueheren Finanzministerin Frankreichs, die grosser Veruntreung verdechtigt ist oder von Politikern wie Silvio Berlusconi, die Korruption selbst verkoerpern.
Natürlich war in der Vergangenheit auch nicht besser. Sogar sehr erfolgreiche Voelker, gerade diejenigen, die die Weltgeschichte am stärksten und am tiefgreifendsten geprägt hatten, kämpften ständig gegen dieses Übel, ohne es eliminieren zu koennen. Allen voran das roemische Volk . Also das Volk, das die Grundlagen des Rechts und des Rechtsstaates geschaffen hat. Zur Illustration zwei Beispiele. Scipio Africanus, der Retter des Vaterlandes und Sieger ueber Hanibal, wurde der Korruption beschuldigt. Er warf seinen Landsleuten die Undankbarkeit vor. Seine Worte: "Ingrata Patria non habebis osa mea" findet man in jedem Lehrbuch der lateinischen Sprache. Der numidische Koenig Jugurta wurde zum Feind Roms, in der Zeit als Rom schon die Weltmacht geworden ist, erklaert und sollte sich vom Senat in Rom rechtfertigen. Er konnte sich immer freikaufen. Sein Komentar war:"In Rom ist alles kaeuflich". Später in der Renaissance war auch nicht besser. Der Papst Alexander Borgia erinnert uns daran. Aber diese Epoche ist eine der wichtigsten und kreativsten der Weltgeschichte.
Die radikalen Versuche, und die sind die Meilensteine der Weltgeschichte, die vorgegebene, krisengeschuettete Ordnug zu ueberwinden und dabei durch eine, nicht nur bessere, sondern vollkommene Gesellschaftsform zu ersetzen, wurden immer sehr teuer bezahlt und blieben weit von der ersehnten Vollkommenheit entfernt. Denken wir an den "unbestechlichen" Robespierre und die Franzoesische Revolution. Er war Prototyp des Revolutionäres, der seine edlen Ziele durch Massenmord zu erreichen versuchte. Napoleon, der grösste Franzose aller Zeiten, so nannte ihn einmal de Gaulle, foerderte den Nepotismus und Karrierismus extrem. Mit Menschenleben ging er grosszügig um. Er verlor in Russlandfeldzug fast die ganze Armee. Einige Hunderttausend Mann. Hitler und Stalin kroennen dieses Verhalten der machtgierigen und skrupellosen, Errettung und Heil, versprechenden Volksführer und Politiker. Nicht zufällig bildet sich um solche Gestalten ein Personenkult, der sie als weise, anständige und überragend in jeder Hinsicht, darstellt. Die Realitaet ist natuerlich eine andere. Die Korruption ueberlebte alle diese Stuerme und entfaltete sich zu neuen Blueten.
Wenn die Korruption und damit in Zusammenhang der Machtmissbrauch so allgegenwertig sind und wenn sie den Fortschritt offenbar nicht verhindern, dann stellt sich die Frage woher kommen sie und was macht sie so bestaendig?
Ich glaube die Korruption gehört zur menschlichen Natur. Wo es menschelt, gibt es auch negative Begleiterscheinungen. Wenn man in einer Lieferung Obst einige Würmer findet, sind sie als Zeichen dafuer zu nehmen, dass diese Lieferung in Ordnung ist. Eine sterille Lieferung wuerde man wahrscheinlich nicht annehmen, weil man mit Recht vermuten darf, dass sie chemisch behandelt wurde. Wenn im Fussballspiel ein Tor geschossen wird, dann springen die Spieler, gestikulieren und schreien wie die Kinder. Manchmal sogar wie unsere evolutiven Vorfahren. Und das Publikum schätzt dies als natürliches und aufrichtiges Verhalten. In Sinne dieser Natürlichkeit hat jede Gesellschaft ihre Korruption. Wenn sie massvoll ist, kann sie keinen grossen Schaden anrichten. Sie ist ein Zeichen dafuer, dass die Gesellschaft unvollkommen, also menschlich ist, und nicht von Automaten oder Heil versprechenden Tyranen regiert wird. Die Menschen haben schon immer versucht die Maechtigen zu beeinflussen. Man opferte den Goettern um sie positiv zu stimmen, also im gewissen Sinne zu korrumpieren und verehrte die Machthaber. In alten Rom war der gerade regierende Kaiser als Gott verehrt. Im zu opfern war eine staatsbuergerliche Pflicht. So wie damals in der Antike tat man es und tut es in der Moderne. In Italien hoert man schon jetzt an Beginn, im Vergleich zu fruehern Krisen, einer eher harmlosen Entwicklung, den Ruf nach dem starken Mann. Wie die Geschichte uns lehrt, haben alle Versuche eine vollkommene Gesellschaft zu errichten und dadurch die Krisen ein fuer allemal zu beseitigen, in grosse Katastrophen gefuehrt. Um Missstaende zu eliminieren staerken und bilden sich die Machtstrukturen, die dann unter Umständen die wesentlichen Werte einer liberalen Gesellschaft, bedrohen können. Frueher oder spaeter kommt das traumatische Erwachen. Oft zu spät. Wir leben heute frei und gut trotz, vielleicht sogar Dank, aller Unvollkommenheiten unserer Gesellschaft. Mindestens die meisten von uns.
Interessanterweise, und mahnend fuer uns, haben die grossen islamischen Architekten und Künstler in ihren Werken absichtlich kleine Fehler eingebaut. Das Fehlerlose und Vollkommene wäre eine Anmassung gewesen, meinten sie. Ja, die Blasphemie, die Gotteslaesterung sogar.Diese Einstellung kann man gut nachvollziehen, wenn man bedenkt, dass rein logisches Denken, ohne jede emotive Beeinflussung, eine der gefaehrlichsten Deviationen der Psyche darstellt. Ein Beispiel aus der medizinischen Literatur. Ein junger Mann beginnt zu begreifen, dass er geistig erkrankt. Er liest in den Buechern und erfaert, dass seine Krankheit erblich bedingt ist. Er handelt sofort und versucht seine Eltern umzubringen. Dabei zeigt er keine Gefuehle oder irgendwelche Regungen.Solches Verhalten im grossen Still und mit Angst erfuellenden Konsequenz hat man oft im Kreig und in gewaltsmen Umstuertzen, was gut belegt ist, festgestellt. Der ZweiteWeltkrieg ist, diesbezueglich, eine echte Fundgrube.
Fazit
Paracelsus hat geglaubt, dass zwischen Gift und Medikament nur Unterschied in der Menge sei. Ein Gift in kleinen Mengen kann heilend wirken. Analog dazu ein Medikament in der grossen Menge also überdosiert, wie ein Gift. Ich glaube mit der Korruption verhaelt sich aehnlich. Die grosse Gefahr fuer unsere liberale,dynamische und erfolgreiche Gesellschaft stellt die ewige Versuchung alle Unvollkommenheiten zu eliminieren und alles zu kontrollieren, um mit den Mitteln der Wissenschft und Technik das ersehnte Paradies auf Erden aufzubauen und dies trotz der reichen negativen Erfahrung, dass Utopien und Zwangsbeglueckungen ins Verderben fuehren. Der Weg in die Hölle ist mit guten Absichten gepflastert, sagt ein Sprichwort. Nicht umsonst wird das Paradies im Jenseits gesucht.
Miomir M:. Libertas et Progressus
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* Subhashish Panigrahi 2015 Animated world map showing index of perception of corruption CC Attribution -Share Alike 4.0 International license